Die Demokratie ist in Gefahr wie noch nie seit 1945. Darauf können sich derzeit viele politische Beobachter einigen. Einig ist man sich auch darin, wer gegenwärtig die Demokratie gefährdet: Populisten und Extremisten aus dem rechten sowie aus dem linken politischen Spektrum, wobei Parteien und Bewegungen der Rechten, wie beispielsweise AfD und Pegida, die Szenerie derzeit dominieren. Der Soziologe und Elitenforscher Prof. Dr. Michael Hartmann nimmt in diesem Zusammenhang eine andere soziale Gruppe in den Blick: die Eliten. Diese bezeichnet er in seinem neuen Buch als die Abgehobenen, deren Denken und Handeln die Demokratie nicht weniger gefährdeten, als es Populisten und Extremisten von Links und Rechts tun. Eine provokante These, die uns veranlasst hat, Prof. Hartmann um ein Interview zu bitten.
"Wer dem Rechtspopulismus erfolgreich entgegen treten will..."
L.I.S.A.: Herr Professor Hartmann, Sie haben ein neues Buch zur Elitenforschung vorgelegt, das den Titel trägt: „Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden“. Es ist nicht Ihre erste Veröffentlichung über Eliten – im Gegenteil. Sie gehören zu den renommiertesten Elitenforschern mit einer langen Publikationsliste. Was hat Sie nun zu diesem neuen Buchvorhaben geführt? Inwiefern unterscheidet es sich von früheren Arbeiten?
Prof. Hartmann: Mein Motiv war ein politisches. Da ich immer noch viele Vorträge halte, in der Regel zu sozialer Ungleichheit und ihren politischen Folgen, wollte ich mit dem Buch einen breiteren Leserkreis erreichen. Es ist daher im Unterschied zu den anderen Büchern explizit als Sachbuch für ein breites Publikum konzipiert und nicht als wissenschaftliches Buch. Das bedeutet, dass das Buch wesentlich mehr plastische Beispiele und deutlich weniger Zahlen enthält. Außerdem ist die Struktur von vornherein auf eine klare politische Aussage hin ausgerichtet. Sie lautet: Wer dem Rechtspopulismus erfolgreich entgegen treten will, muss mit der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte Schluss machen. Alles in allem hat das ganz gut geklappt. Das Buch stand immerhin acht Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste.
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> Die Demokratie ist in Gefahr wie noch nie seit 1945. Darauf können sich derzeit viele politische Beobachter einigen. <
Auch hier sehe ich das so:
> Einig ist man sich auch darin, wer gegenwärtig die Demokratie gefährdet: Populisten und Extremisten aus dem rechten sowie aus dem linken politischen Spektrum, <
Ja, schon, allerdings fehlen da noch jede Menge weiterer Populisten, wie die EU-Einheitsstaats-Populisten, die EU-Millitarisierungs-Populisten, die Gesamtheit der russophoben Populisten, der Freunde der ukrainischen Neofaschisten, der populistischen Verklärer der eklatanten Stadt-Land-Unterschiede, der "wir schaffen das"-Populisten, die nicht nur vergassen, dann auch entsprechend Richtung der Kommunen zu "schaffen" oder sogar vergassen, WAS da zu schaffen war - z.B. die Gleichbehandlung der neu Angekommenen mit evtl. schon Dagewesenen Bedürftigen mit Wohnung, Kitas, Schulklassenstärken usw. usw.
So einfach, Herr Hartmann, ist das mit der Gefährdung der Demokratie durch deren "Schmuddelkinder, die Sie da aufzählen, wohl nicht, war es wohl bereits 2018 (als Sie hier publiziert wurden, nicht):
Es sind vor allem die sich gern diesbezüglich verleugnenden Partei-Populisten, die Sie etwas verschämt (noch?) nicht als Populisten hier mitzählen wollen, obwohl das voll zutrifft:
> die Eliten. Diese bezeichnet er in seinem neuen Buch als die Abgehobenen, deren Denken und Handeln die Demokratie nicht weniger gefährdeten, als es Populisten und Extremisten von Links und Rechts tun.<
Na bitte, da kommt es wenigstens so, was auch der Grund meiner besonderen Aufmerksamkeit zu Ihren Aussagen schon länger ist:
> Wer dem Rechtspopulismus erfolgreich entgegen treten will, muss mit der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte Schluss machen. < ja, die auch nur eine masslose Populistik war, was noch immer nicht in vielen Köpfen rein will.
Sie führen viel zu den Eliten und der Macht / den Mächtigen aus, dass wir uns korrekt verstehen:
Es wird immer Eliten und Macht bedürfen, um ein Ganzes wie das Leben einer ganzen Gesellschaft und vor allem deren Austauschprozesse gesund am Laufen zu halten und zu entwickeln. Nur wenn diese für Gesellschaft so wichtigen Gruppen sich abheben vom Leben der anderen, verselbständigen und bereits unter sich nicht willens sind, Teilhabe-Demokratie zu praktizieren und sich selbst nur als beschränkte Lobbyisten verstehen, werden diese eben nicht gebraucht, das sollten sie wissen, sollte man ihnen sehr deutlich sagen oder anderweitig zu verstehen geben ...
Und ja, jeder Cum-Ex-Geschäftler oder Hyper-Bonusempfänger (auch noch nach abfallendem Ertrag) ist letztlich nur oder nicht mal ein Populist mit hohem Demokratiegefährdungspotential, weil (oft) > kein Bewusstsein für Fehlverhalten < es gibt eben nicht nur bei "Rechten" ein deutlich geschlossenes Weltbild, das normalen Ereignissen und Sachlagen nicht mehr zugänglich ist - nur die Medien berichten DARÜBER nur ungern, müssten sich selbst erwähnen, ziehen es oft vor, im Klein-Klein sich zu verzetteln, statt Visionen und Andersdenkende zu bemerken und verstehen überhaupt nicht, dass z.B. der ARD(MDR)-Versuch, sich vor "dem Volk" (ihren Zahlmeistern) einen "wissenschaftlich erstellten" Gut-Wetter- schönfärbenden Alibi-Wortschatz zur "liebevollen" Bezeichnung ihrer Medienteile zur "empfohlenen Verwendung" an ihre Mitarbeiter gegenüber der Öffentlichkeit, nichts anderes ist, als ein solches Cum-Ex Geschäft im politisch-verbalen Feld, dass genau das die Beweise sind für die von Herrn Hartmann zurückhaltend erwähnten Versagen der meisten politischen Medien, wenn es um das grosse GANZE geht.
Kunststück auch, wenn alle von 2 zentralen Agenturen (wie seinerzeit bei ADN in der DDR) wörtlich übernehmen, weil eigenes Personal dafür drastisch "eingespart" wurde und diese Leute nun sich als Blogger betätigen ..., und:
> Prof. Hartmann: Ich spreche von den Spitzenvertretern der Medien. Sie sind tatsächlich Teil der Eliten, was ihren Einfluss, aber auch ihre Herkunft und ihre Einkommen angeht, und sie handeln in der Regel dementsprechend....
Der entscheidende Wandel muss in der Politik stattfinden, weil dort der Einfluss der Bevölkerung am größten ist.<
Dann kommt es zur entscheidenden Frage des Interwievers über dieses Thema:
> Ist ein fundamentaler Politikwechsel auch ohne oder nur mit Beteiligung der Eliten möglich?
Prof. Hartmann: Er wird nur gegen die große Mehrheit der jetzigen Eliten möglich sein. Es wird zwar auch nach einem solchen Wechsel Eliten geben. Sie werden aber bis auf die Wirtschaft nicht mehr dieselben sein.<
Das, verehrter Herr Hartmann, erlaube ich mir, völlig anders zu sehen, weil ich gegen jede Ausschliesseritis bin, weil diese mit der Demokratie nun am anderen Ende der Fahnenstange zündelt: Entweder Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung (damit gleichartige Verantwortung elitär wie nonelitär oder nix!
Zum Donnerwetter, die Gutgestellten haben es doch weitaus leichtwer, ihre Macht im Geiste dieser Feststellungen hier zielführend einzusetzen, denn: Ohne Sie könnte auch eine Gesellschaft entstehen, in der diese nun einen verdeckten Klassenkampf als sozialen Rassenkampf (gruppenbezogene Diskriminierung ....) zu ihrer Selbstbehauptung praktizieren - sie haben teizuhaben an den Gesellschaftsveränderungen, sich einzubringen, das sollten notfalls neu zu erschaffende Populisten ihnen womöglich auch schmerzhaft erklären.