Was die grundsätzliche Frage nach der Zukunft der Bücher angeht, so markieren zwei Positionen wohl die Ränder von einer ganzen Bandbreite dazwischen oszillierender Meinungen: Die moderateren Verfechter des Online-Publizierens wünschen keine völlige Ablösung vom Buch im wissenschaftlichen Bereich, sondern halten nur für bestimmte Formate (Zeitschriften, Tagungsbände, Rezensionen, Texteditionen etc.) die leichte und schnelle Verfügbarkeit der Online-Publikation im Netz für das Mittel der Wahl.
Entschieden weiter geht die Fraktion derer, die nicht nur auf die vollkommene Abwendung vom gedruckten Buch im wissenschaftlichen Umfeld und damit auf eine effiziente Verbreitung des Wissens hofft. Dabei sehen sie besonders die Wissenschaftler an den Hochschulen in der Pflicht, ihre – durch öffentliche Gelder finanzierten – Forschungsergebnisse zuerst online zu publizieren und der scientific community rasch verfügbar zu machen. Visionär erkennen sie darüber hinaus den Medienablösungsprozeß als so weit fortgeschritten an, daß sie eine Spekulation über "Wünsche", was den Erhalt der Printpublikationen angeht, als hinfällig erachten.
Die pure Freude am "schönen Buch", in dem die Forschungsergebnisse wie auch – bei Kunsthistorikern wichtig – die Objekte der Forschung in prachtvollen Abbildungen gebündelt und – vor allem – präsentabel vorliegen, führte schließlich zu einem zentralen und nicht abschließend zu klärenden Punkt: den Bildrechten in der Online-Publikation. Zwar kann nämlich die Online-Publikation, anders als das gedruckte Buch, das oft aus Kostengründen nur eine kleine Auswahl von Abbildungen zeigen kann (oder viele Farbabbildungen aufweist und dafür unerschwinglich wird), möglicherweise sämtliche Bilder in Farbe präsentieren, doch werden die Abbildungsrechte offensichtlich immer noch von jedem Museum und Archiv unterschiedlich und oft sehr rigide festgeschrieben.
Weshalb hingegen, um die Frage von einer anderen Seite zu betrachten, andere Disziplinen – namentlich die Naturwissenschaften – ihren Weg ins Internet so viel schneller und leichter gefunden haben, fällt uns als Geisteswissenschaftlern zu beantworten zwar schwer. Aber unserem Eindruck nach dürfte alleine schon der mutmaßlich höhere Aktualitäts- bzw. Zeitdruck für Naturwissenschaftler Motivation genug gewesen sein, die neuen Veröffentlichungsformen früh zu nutzen. Auch vermeintlich untergeordnete Aspekte wie die Möglichkeit, online – anders als im Print – Forschungs-Rohdaten publizieren zu können, hat vermutlich einen Anreiz gebildet. Dass die Naturwissenschaften aber zudem von Anfang an mit einem deutlichen Vorsprung ins Rennen gegangen sind, weiß jeder, der die Geschichte des World Wide Web kennt und somit weiß, wo und warum es entwickelt wurde: am CERN in Genf, mit der Absicht, physikalische Forschungsergebnisse publizieren zu können.
Dr. Anna Schreurs, Carsten Blüm und Thorsten Wübbena haben die Fragen der L.I.S.A.Redaktion schriftlich beantwortet.
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Wie sich so etwas auch in den (kommunikativ, also auch intellektuell... ?) trägeren Geisteswissenschaften anstoßen liesse? Beispielsweise durch das Einrichten von preprintservern mit einem deutlichen Druck, Vorabversionen von Publikationen oder Vortägen/Vorlesungen dort hineinzustellen, durch das Verschieben von relevanten Informations- und Kommunikationsvorgängen bei Konferenzen u. dergl. in offene Onlinebereiche? Vor allem wäre es sicher nützlich, die enge Verknüpfung von Kommunikationsweisen (und -umständlichkeiten!) mit einer allgemeinen geistigen (Un)bewegichkeit ins Bewußtsein zu rufen, dadurch dann - in Analogie zu den vielgenannten "Scheren in den Köpfen" - geeignete Sensibilitäten in den Köpfen hervorzurufen und zu stabilisieren. Gibt es historische Anknüpfungspunkte, z.B. vergangene Bildungs- und Aufklärungskonzepte, die vielleicht am Anfang der Geisteswissenschaften eine Rolle spielten?