Fassungslose Gesichter, sprachloses Entsetzen, ungläubige Widerrede, beißender Sarkasmus - Reaktionen, die anlässlich der jüngsten Entwicklungen in der Berliner Museumslandschaft allzu verständlich sind: Die Berliner Gemäldegalerie wird in ihrer derzeitigen Form nach einem Bundesbeschluss bereits im Jahr 2013 nicht mehr zu sehen sein. Eine der bedeutendsten Altmeistersammlungen der Welt soll langfristig auf Eis gelegt werden und zwar klammheimlich, unter dem Deckmantel einer Erfolgsmeldung!
Ab ins Depot!
Über die ungeheuerliche Abwicklung der Berliner Gemäldegalerie
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Am 12. Juni hatte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung die erfreuliche Nachricht lanciert, das Parlament habe im Nachtragshaushalt 10 Millionen Euro für den Bauhaushalt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereitgestellt. Dieses Geld solle dazu genutzt werden, um die sich in unmittelbarer Nähe zur Neuen Nationalgalerie befindlichen Räume des Kulturforums zu einem 'Museum des 20. Jahrhunderts' umzubauen. Vorausgegangen waren dieser Entscheidung die erfolgreichen Verhandlungen mit dem Ehepaar Pietzsch, das seine rund 150 Objekte umfassende Sammlung französischer Surrealisten und abstrakter Expressionisten dem Land Berlin übereignen möchte. Auch hier will man rufen: Welch schöne Geste, die eine durch die nationalsozialistische Greuelpolitik verursachte, allzu kenntliche Lücke in der Berliner Moderne-Sammlung zu schließen vermag.
Doch leider schwebt dieser schöne Zugewinn wie das Schwert des Damokles über derjenigen Sammlung, die derzeit in den lichten Räumen des Kulturforums untergebracht ist. Die Gemäldegalerie soll, soviel erfährt man bereits in der Pressemitteilung, übergangsweise zusammen mit der Skulpturensammlung zukünftig im Bodemuseum ihr Zwischendomizil beziehen. Der Plan klingt vernünftig und die mediale Trennung ist ohnehin mehr als schade; doch stellt sich für all jene, die beide Sammlungen gut kennen, sofort ein schlechtes Bauchgefühl ein. Denn zum einen kann bereits heute aus Platzmangel nur ein Teil der Altmeistersammlung in den über zwanzig Räumen und der dazugehörigen Studiengalerie ausgestellt werden und zum anderen beklagt sich auch das Bodemuseum nicht über leere Räume. Im Gegenteil: Die Skulpturensammlung ist die größte ihrer Art weltweit! Führt man nun beide Sammlungen zusammen, würde ein Großteil der Bilder und Skulpturen auf nicht absehbare Zeit ins Depot wandern und der Öffentlichkeit folglich nicht mehr zugänglich sein.
Was unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgesetzt wurde, folgt alten Plänen: Der Berliner Museumsinsel-Masterplan sieht schon lange einen Neubau für die Alten Meister vis-à-vis zum Bodemuseum vor und die Idee ist auch vollkommen vernünftig, doch bislang darf dieses schöne Ansinnen nur 'Zukunftsmusik' heißen. Wie die Berliner Erfahrung etwa mit Blick auf den vermeintlichen Schlossneubau lehrt, hätte man sich im Fall der Fälle auf eine lange Planungs-, Warte- und vielleicht irgendwann auch Bauzeit einzustellen. Schon in der Pressemitteilung wird darauf verwiesen, dass ein Museumsneubau erst deutlich nach 2018 zu erwarten ist, heißt: Nicht vor 2030?
Das allerdings wäre ein ungeheuerlicher Affront gegen all jene, die sich zwar auch an Werken von Künstlern wie Max Ernst, René Magritte, Joan Miró, Salvador Dalí, Frida Kahlo, Jackson Pollock und Mark Rothko erfreuen können, denen aber die Reduzierung einer Sammlung von Weltrang mit ihren Van Eycks, Rembrandts, Tizians, Mantegnas, Dürers, Poussins, Reynolds etc. z.B. auf die "50 größten Meisterwerke älterer Kunst" NICHT genügt! Die sogenannte "Museumsrochade", die als progressive Entwicklung innerhalb der Neuordnung der Berliner Museumslandschaft gepriesen wird, wäre nur dann eine, wenn tatsächlich ein Austausch von A nach B und von B nach A stattfände. Stattdessen verdrängt eine private Schenkung eine ungleich bedeutendere öffentliche Sammlung in dunkle Depots und keinen der maßgeblichen Protagonisten scheint dies zu stören: namentlich sind das der Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin Michael Eissenhauer, der Präsident der Staatlichen Museen Hermann Parzinger sowie der Direktor der Gemäldegalerie Bernd Lindemann.
Was also ist zu tun? Die ungewisse Zukunft der Gemäldegalerie braucht eine breite Öffentlichkeit, ein offener Brief muss her, eine e-Petition, eine Welle der Solidarität für die uneingeschränkte Zugänglichkeit zu einer Sammlung, die im gegenwärtigen Diskurs - zumindest in den politischen Höhen - ihre Zusprecher verloren zu haben scheint. Wer es nicht glauben mag, für den haben wir einen aktuellen Pressespiegel mit Stellungnahmen und ersten Zeitungsartikeln zusammengestellt.
Das ganze Ausmaß sei vielleicht in einem Gedankenspiel auf den Punkt gebracht: Niemand würde glauben, dass die National Gallery in London auf unbestimmte Zeit ihre Türen schließt, um bereitwillig einer Privatschenkung Platz zu machen. In Berlin aber scheint ein vergleichbarer Plan wenig Unbehagen auszulösen. Also dann, ab ins Depot!
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Wir haben mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Andreas Beyer gesprochen - nachzulesen unter:
http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=3914
Klare Worte, so viel sei an dieser Stelle verraten...
Viele Grüße
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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das ist wunderbar! Die Petition habe ich auch schon unterschrieben - bleibt zu hoffen, dass die Proteste wirksam sind!
Dir auch ganz herzliche Grüße,
Tina
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hab vielen Dank! Langsam gerät das Unterfangen in Zugzwang. Binnen zweier Tage erreicht die Petition von Jeffrey Hamburger über zweitausend Unterschriften und nun legt auch der Verein Deutscher Kunsthistoriker einen sehr eindeutigen offenen Brief vor:
http://www.kunsthistoriker.org/offener_brief_gemaeldegalerie.html
Ich bin gespannt, was diese geballte Ladung Protest noch erreichen wird. Tina, Dir sehr herzliche Grüße!
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Anbei auch ein Artikel von Niklas Maak (FAZ), der die Gesamtproblematik nochmal sehr gut verdeutlicht.
http://www.faz.net/-gsa-70zaq
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http://chn.ge/NjXhr4
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ihren Optimismus in Ehren aber diesen Neubau wird es erst sehr spät oder gar nicht geben. Bisher gibt es nicht einmal die leiseste Idee, woher das Geld dafür kommen soll. Ob man in 10 Jahren schlauer ist, wage ich doch zu bezweifeln. Es ist vielmehr so, dass nach einer gewissen Zeit derjenige Teil der Sammlung, der dann dauerhaft im Depot verwahrt wird, in Vergessenheit gerät. Für sowas projektiert man keine neuen Gebäude!
Übrigens ist die Sammlung Pietzsch ziemlich drittrangig und wird sicherlich in einigen Jahren so gut besucht sein, wie inzwischen die Sammlung Scharf-Gerstenberg. Wussten Sie übrigens, dass der Hamburger Bahnhof schlechtere Besuchszahlen hat, als die Gemäldegalerie? (das wird interessanterweise in der Hauptstadtpresse nicht erwähnt)
Richtig falsch ist übrigens, dass Sie vom "deutlich kleineren Teil der Sammlung sprechen, der ins Depot wandert". Interne Machbarkeitsstudien sehen, wie ich bereits schrieb, schon jetzt vor, dass nur ein Drittel der derzeit in der Gemäldegalerie gezeigten Bilder im Bodemuseum ausgestellt werden kann. Heißt: zwei Drittel (!) der Bilder wandert ins Depot. Von den Skulpturen sprechen wir erst lieber gar nicht! Haben Sie beide Häuser schon ausführlich besucht? Kennen Sie die Sammlungen? Kennen Sie andere vergleichbare Sammlungen? Spätestens dann sollte Ihnen aufgehen, dass dieser ganze Deal höchst fragwürdig im internationalen Kontext dasteht, dass er - um einmal dieses Wort zu gebrauchen - hochgradig skandalös ist.
Der Vorschlag, die Bilder wie Wanderpokale durch die Welt reisen zu lassen, mag ja etwas für sich haben, nur wird die strenge Restaurierungsabteilung der GG ein solches Unterfangen niemals zulassen. Das ist vielleicht auch besser so, bevor nach der kleinen Welttournee Ruinen wiederkehren.
Eine vernünftige Chance wäre es, über einen Neubau für die Moderne nachzudenken und solange für die Sammlung Pietzsch eine Interimslösung zu finden. Wie gesagt, Platz und Möglichkeit gäbe es in Berlin zuhauf.
Das Problem liegt aber woanders: Hier werden eitle Entscheidungen völlig am Öffentlichkeitsauftrag vorbei getroffen, man frönt privater Vorlieben (ich erwähne nur am Rande, dass der Deal von Peter Raue eingefädelt wurde) und offensichtlich hat die Alte Kunst keine Lobby mehr. Da ist es nur umso bitterer zu lesen, dass Eduard Beaucamp (FAZ) schon vor zwei Jahren in einem Artikel befürchtet hat, was jetzt eintritt und noch tragischer, dass Bernd Lindemann (Direktor GG) in einer Antwort verbreitete, es werde keinen Umzug geben, bevor nicht ein fertiger Neubau stünde. So ändern sich offenbar die Bedingungen...
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Wenn die Museumkuratoren jetzt findi sind, dann handeln sie für die Übergangszeit aus, dass die Gemälde, für die wirklich kein Platz ist, nicht im Depot verschwinden, sondern in dieser Zeit als Leihgabe durch Deutschland und die Welt touren. Insgsamt sehe ich mehr Chancen als Risiken.
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Aus internen Quellen habe ich erfahren, dass man davon ausgeht, ein Drittel aller derzeit ausgestellten Bilder im Bodemuseum unterzubekommen. Das geht freilich nur, wenn der Großteil der Skulpturen der Neueinrichtung weicht...
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