Der Begriff "comic strip" lässt sich aus dem Englischen als "komischer Streifen" übersetzen – eine Tatsache, die den Schluss nahelegt, Comics würden ausschließlich "komische" Themen aufgreifen. Dem ist nicht so, weiß Dr. Florian Trabert, der sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit unter anderem mit dem Medium auseinandersetzt und Mitglied des Comicforschungs-Netzwerks icon ist. Der Germanist und Literaturwissenschaftler untersucht, wie die Themen Flucht und Migration, interkulturelle Kommunikation sowie der Umgang der Kulturen untereinander im Comic dargestellt werden. Wir wollten im Interview wissen, wie das Forschungsfeld der Comicforschung in Deutschland entstanden ist, aber auch, inwiefern Comics zukünftig einen wichtigen Beitrag in der Lehre liefern könnten.
"Als Literaturwissenschaftler muss man erst lernen, Comics ,richtig’ zu lesen"
L.I.S.A.: Herr Dr. Trabert, Sie sind Mitglied des interdisziplinären Comicforschungs-Netzwerkes „icon“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, das seit 2017 das Medium Comic aus verschiedenen Fachperspektiven in den Blick nimmt. Was fasziniert Sie – als promovierter Germanist – an diesem Genre besonders? Wie kamen Sie zu Ihrem Forschungsfeld?
Dr. Trabert: Um mit der letzten Frage zu beginnen: Zur Comicforschung kam ich, für einen Germanisten gewissermaßen „standesgemäß“, über Literaturcomics, das heißt über Comicadaptionen literarischen Texte. Vor einigen Jahren haben meine Frau (die mit mir am gleichen Institut arbeitet) und ich den „Faust“ des deutschen Comiczeichners Flix geschenkt bekommen, und diese Adaption hat uns so fasziniert, dass wir nach weiteren Literaturcomics recherchiert haben. Da es zu diesem Zeitpunkt nur wenig Forschungsliteratur zu diesem Thema gab, haben wir zusammen mit einem Kollegen 2014 eine wissenschaftliche Tagung veranstaltet, aus der dann ein Jahr später der Sammelband „Graphisches Erzählen. Neue Perspektiven auf Literaturcomics“ hervorgegangen ist. Wir haben rasch gemerkt, dass das Thema Literaturcomic und Comic allgemein für uns mit diesem Projekt noch nicht abgeschlossen war. Deshalb haben wir uns sehr über eine Initiative an unserer Fakultät gefreut, aus der dann schließlich das Forschungsnetzwerk icon hervorgegangen ist, in dem auch Kolleginnen und Kollegen aus der Anglistik, Geschichte, Japanologie und Romanistik vertreten sind. An Comics fasziniert mich insbesondere, das Bild und Text nicht einfach nebenherlaufen, sondern so eng aufeinander bezogen sind, dass sich das eine nicht von dem anderen ablösen lässt. Bild und Text bilden in Comics eine unauflösliche Einheit: Jedes graphische Detail – wie z.B. die Form der Panels (also der Einzelbilder) oder ihre Anordnung – steht in einer Verbindung mit dem Text und umgekehrt. Im wahrsten Sinne die Augen geöffnet hat mir bei diesem Lernprozess vor allem Scott McClouds „Understanding Comics“ (deutscher Titel: „Comics richtig lesen“), in dem McCloud in einem Comic erklärt, wie Comics funktionieren. Als Literaturwissenschaftler:in muss man erst lernen, Comics ,richtig’ zu lesen, indem man sich die berufsbedingte Fixierung auf den Text abtrainiert und die Bildebene angemessen einbezieht – vice versa gilt das auch für Kunsthistoriker:innen.
Reaktionen auf den Beitrag
Kommentar
vielen Dank für den Hinweis und die Korrektur - wir haben die Änderung nun auch im Interview vorgenommen.
Ihre L.I.S.A.Redaktion
Kommentar
das ist vollkommen richtig, vielen Dank für den Hinweis. In meinem Aufsatz "Im Zwischenraum. Migration in deutschsprachigen Comics der Gegenwart", der in dem Band erschienen ist, das in dem Interview erwähnt wird, habe ich diesen Zusammenhang zum Glück richtig dargestellt. In dem Interview habe ich dann leider die beiden Bundesländer verwechselt...
Kommentar