500 Jahre Reformation - das gerade erst angebrochene Jahr wird ganz im Zeichen der Veröffentlichung und raschen Verbreitung der 95 Thesen Martin Luthers stehen. Der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Thomas Kaufmann von der Universität Göttingen hat sich in seinem aktuellen Buch vor allem der Verbreitung des Lutherischen Lehre nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern in Europa insgesamt gewidmet. Insofern liest sich sein Werk auch wie eine Kommunikationsgeschichte der Frühen Neuzeit, bei der Drucktechnik und Buchdrucker eine zentrale Rolle spielen. Wir haben Thomas Kaufmann unsere Fragen gestellt.
"Reformation konsequent als lateineuropäisches Phänomen interpretiert"
L.I.S.A.: Herr Professor Kaufmann, Sie haben rechtzeitig zum bevorstehenden 500-jährigen Reformationsjubiläum ein Buch über die Geschichte der Reformation vorgelegt. Sie schlagen dabei einen weiten Bogen von der Publikwerdung der Lutherschen Thesen bis zur Gegenwart. Überblicksdarstellungen zur Reformationsgeschichte gibt es zahlreiche – was unterscheidet Ihre von älteren? Welche zentrale Fragestellung hat Sie geleitet?
Prof. Kaufmann: Im Unterschied zu eine Reihe mit bekannter Darstellungen habe ich versucht, die Reformation konsequent als lateineuropäisches Phänomen zu interpretieren. Auch die Einbeziehung der wissenschaftlichen Deutungs- und der erinnerungskulturellen Wirkungsgeschichte von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart unter Einschluss der globalen Wirkungen des Protestantismus geht über die gängigen Darstellungen hinaus. Ansonsten gibt es übrigens so viele Gesamtdarstellungen der europäischen Reformationsgeschichte gerade nicht - etwa verglichen mit Lutherbiographien, die im Moment wieder den Markt dominieren.