Ein Künstler wird 100 Jahre alt - ante oder post mortem - und das Gedenkkarussel des allgemeinen Kulturbetriebs nimmt Fahrt auf. So auch bei Joseph Beuys, der am 12. Mai dieses Jahres seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Zahlreiche Beuys-Sonderausstellungen gibt es zu sehen, neue Beuys-Bücher erscheinen, Beuys-Lesungen und Beuys-Vorträge sind zu hören und es gibt sogar Beuys-Events wie beispielsweise eine Fahrradtour durch das sogenannte Beuys-Land, den Niederrhein. Die vielen Jubiläums-Aktivitäten scheinen die These des Kunsthistorikers Dr. Johannes Vincent Knecht zu stützen, dass die Auseinandersetzung mit Joseph Beuys heute vor allem ritualisiert verläuft und zur Musealisierung seines Schaffens und seiner Werke weiter beiträgt. Mit einem aktuellen Sammelband möchte er diesem Trend etwas entgegensetzen und plädiert darin mit weiteren Autorinnen und Autoren für eine andere Beuys-Rezeption. Für welche genau, das haben wir ihn in unserem Interview gefragt, was wiederum unser kleiner Anteil am allgemeinen Beuys-Gedenken ist.
"Beuys ist immer Bildhauer, egal, was er tut"
L.I.S.A.: Herr Dr. Knecht, Sie haben pünktlich zum 100-jährigen Geburtstag von Joseph Beuys einen Sammelband herausgegeben, der "Fett, das nicht kalt wird. Zur Gegenwärtigkeit des Joseph Beuys" heißt. Bevor wir zu einigen Fragen zu Ihrem Buch kommen, welche Facette von Beuys interessiert Sie besonders? Ist es der Aktionskünstler, der Zeichner, der Bildhauer, der Kunsttheoretiker, der Professor oder der Politiker?
Dr. Knecht: Das Abenteuer der Beschäftigung mit Beuys besteht ja schon darin, dass er behauptet, die Arbeitsteilung, die seit der Neuzeit unser Leben und unsere Gesellschaft strukturiert, nicht mitzumachen: Theorie und Praxis sowie Kunst und Politik sollen nicht als getrennte, sich chronisch missverstehende Systeme, sondern (wie schon in der Romantik) als Einheit gefasst werden. Die Frage ist (wie oft bei Beuys), wie weit man diesen Selbstsetzungen folgt und wo man beginnt, seiner Inszenierung auf den Leim zu gehen.
Um Ihre Frage pragmatisch zu beantworten: Beuys ist von Beruf Bildhauer, hier gewinnt er seine wesentlichen ästhetischen Grundbegriffe (›Soziale Plastik‹!), und an dieses Fundament versuche ich meine Betrachtungen (und letztlich auch die Qualitätsurteile über einzelne Werke) stets rückzubinden; – Beuys ist immer Bildhauer, egal, was er tut! Die Herausforderung besteht jedoch darin, die von Steiner übernommen Vorstellung, Denken sei ein plastischer Prozess, ernst (und nicht nur als poetische Metapher) zu nehmen. Da beginnen die Kategorien dann, sich aufzulösen, der Übergang vom Bildhauer zum Denker wird fluide. Als Politiker im Sinne der repräsentativen Demokratie ist Beuys gescheitert; als Zeichner ist er – außerhalb von Fachkreisen – noch immer viel zu wenig bekannt und gewürdigt worden; da liegt auch für mich noch ein verlockendes Arbeitsfeld.
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Kommentar
Die Innentemperatur wird ja ständig elektronisch gemessen und liegt etwas oberhalb der Umgebungstemperatur. Da es sich um Industriefett handelt, könnte die leichte Erwärmung am ehesten an radioaktiven Zerfall denken lassen, wahrscheinlich ist aber nur die Messapperatur inzwischen kaputt.
Das habe ich Herrn Knecht auch schon mitgeteilt.