Herr Dr. Zweigart, ich finde es äußerst interessant, dass Sie Stereotypen und Vorurteile in Verbindung bringen. Philosophen werden normalerweise ja als Bewohner des Elfenbeinturms eingeschätzt, die von der Lebenswirklichkeit angeblich keine Ahnung haben. Und nun zeigen Sie, dass der Philosoph Hans-Georg Gadamer, der in den 1960er Jahren das Verstehen antiker Texte zum Thema gemacht hat, damit keineswegs weltfremd war. Er hat, wie Sie zeigen, mit dem sog. „hermeneutischen Zirkel“ eine Denkform bereitgestellt, die für die Integration von Migranten wegweisend sein kann. Einheimische und Fremde begegnen sich immer mit bestimmten Vorstellungen, die sie sich vom anderen machen. Diese mögen weitgehend illusorisch sein, aber sie sind besser als vollkommene Unbedarftheit und Gleichgültigkeit. Sie sind der Ausgangspunkt für den langen Weg gegenseitigen Verstehens. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Vorurteile als Muster emotionaler Annäherung zu aktivieren. Zur Nähe gehört immer auch Distanz, ohne die jede Seite ihre Identität verlieren würde. Ihr Hinweis auf den Lebensphilosophen Georg Simmel, der über die Rolle des Fremden Grundsätzliches gesagt hat, ist Gold wert. Es bleibt zu hoffen, dass praktische Integrationsprogramme, die oft relativ naiv auf Empathie ausgelegt sind, sich an der Idee des Ausgleichs wechselseitiger Vorurteile orientieren. Vielleicht können Sie, Dr. Zweigart, dort, wo Sie wohnen, die lokalen Institutionen darauf hinweisen. Nur so schaffen wir es!
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Vielen Dank, Dr. Zweigart, dass Sie mit Ihrer Interpretation der Stereotypen als lebendige Vorurteile die Diskussion allgemeinverständlich auf den Punkt gebracht haben. Sie sind, nehme ich an, ein richtiger Lebensphilosoph. Darum beneide ich Sie. Ich war geschäftlich wieder in den Emiraten unterwegs und musste erfahren, dass die Freizügigkeit in Sachen Sexualität dort nur Kopfschütteln hervorruft. Die europäischen Frauen, so meint man, sind zwar körperlich frei, seelisch aber Sklavinnen ihrer Sucht, allen Männern zu gefallen. Dagegen sind im Islam die Frauen gerade wegen ihrer Verschleierung seelisch frei. Merkwürdig, wie hier zwei Vorurteile aufeinander prallen. Unsere Integrationsprogramme sollten hier ansetzen. Das Thema Migration ist noch lange nicht abgearbeitet. Nochmals Danke, Dr. Zweigart.