In der Erinnerung sind die 1980er Jahre von Bildern geprägt, die es heute nicht mehr gibt: Berg- und Stahlarbeiter, das Personal der Montanindustrie, wehrt sich gegen die massenhaften Schließungen ihrer Betriebe und Werke. Kohle und Stahl warfen nicht mehr die erhofften Profite ab, die fortschreitende Globalisierung ließ die Zechen und Hochöfen unrentabel erscheinen. Massenentlassungen im Nordosten Großbritanniens und im deutschen Ruhrgebiet waren die Folge. Die Reaktionen der betroffenen Belegschaften waren massive Proteste, in deren Folge es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Staatsmacht kam. Der Historiker Dr. Arne Hordt hat den damaligen Konflikt in der britischen und der deutschen Montanregion untersucht und miteinander verglichen. Wir haben ihm zu seinen Ergebnissen unsere Fragen gestellt.
"Die Lebenswelt, in der meine Mutter aufgewachsen ist, gibt es nicht mehr"
L.I.S.A.: Herr Dr. Hordt, Sie haben im Rahmen ihrer Dissertation Proteste und Streiks in in den 1980er Jahren untersucht – genauer: den Bergarbeiterstreik 1984/85 in Nordostengland und die Proteste der Stahlarbeiter 1987 in Rheinhausen. Warum dieses Thema? Welche Vorüberlegungen haben Sie zu Ihrer Studie geführt?
Dr. Hordt: Das Thema hat sozusagen drei Wurzeln. Die eine ist wissenschaftlich: Anselm Doering-Manteuffel hat das Projekt als zukünftiger Doktorvater in mehreren Schritten – von einer Hausarbeit im Hauptseminar über die Abschlussarbeit bis zum Teilprojektantrag für den SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ – gemeinsam mit mir entwickelt. Das war ein längerer Prozess, auch in Verbindung mit dem Besuch des Oberseminars zu Fragen der Ideengeschichte, in dessen Verlauf das Thema entstanden ist.
Die zweite Wurzel ist meine persönliche Herkunft und Betroffenheit: Ich stamme aus dem Ruhrgebiet, einer meiner Großväter war Schmelzer auf einer Hütte in Duisburg. Die Lebenswelt, in der meine Mutter aufgewachsen ist, die ich noch als Kind bei den Großeltern kennengelernt habe, gibt es nicht mehr. Sie in Teilen zu rekonstruieren und als geschichtsfähiges und -würdiges Thema zu behandeln, war mir ein Anliegen.
Die dritte Wurzel ist meine Liebe zu England, zur englischen Sprache und zur Kultur der britischen Arbeiterklasse. Es ist einfach ein tolles Land mit sehr freundlichen Menschen. Meine Forschungsreisen waren eine gute Gelegenheit, es noch besser kennenzulernen. Dass wissenschaftliches Interesse, Reflexion über die eigene Herkunft und persönliche Neigung sich in einer Doktorarbeit niedergeschlagen haben, entspricht also einer guten Fügung.