Der 50. Deutsche Historikertag wird in der Zeit vom 23. bis 26. September 2014 an der Georg-August-Universität Göttingen stattfinden. Auch für diesen Historikertag haben Vorstand und Ausschuss des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. (VHD) ein Motto gewählt, das als Orientierung bei der Beantragung von Sektionen dienen mag. Es lautet:
Gewinner und Verlierer.
Die Rede von „Gewinnern und Verlierern“ gehört seit der Antike zum Kernbestand der Deutung historischen Geschehens. Das Bild vom Gewinner und Verlierer wird dabei von Wettbewerben wie dem sportlichen Wettkampf oder der demokratischen Wahl sowie von regelhaft geführten Konflikten geprägt, in denen sich am Ende Sieger und Besiegte gegenüberstehen. Aber auch historische Prozesse wie Aufbau oder Zerfall von Staatlichkeit, Neuerschließungen von Handelsrouten, koloniale Expansion und Verdichtungen von Kommunikationsräumen haben Gewinner und Verlierer, die sich nicht in direkter Interaktion gegenüberstehen müssen, sondern ggf. erst in der historischen Untersuchung und im historischen Urteil als solche hervortreten.
Dabei ist die Rede von Gewinnern und Verlierern stets an bestimmte Perspektiven gebunden. Annahmen darüber, welches „Spiel“ eigentlich gespielt wird, und Erwartungen hinsichtlich der künftigen Entwicklung bestimmen mit, wer als Gewinner und wer als Verlierer gilt. Teleologische Geschichtskonzepte wie der Marxismus-Leninismus oder die vom britischen Historiker Herbert Butterfield schon 1931 kritisierte „Whig Interpretation of History“ haben Geschichte in aufeinanderfolgende Stadien geordnet, in denen um das letzte Ziel der Geschichte gerungen wird. Alle Geschichten von „siegreichen“ Konzepten, sei es in der politischen Ideengeschichte, sei es in der Wissenschaftsgeschichte, sind jedoch nach den Blindstellen solcher Perspektiven zu befragen. Nicht realisierte Möglichkeiten, Seitenwege und vermeintliche Sackgassen in der Geschichte aufzuspüren, erfordert einen methodischen Ansatz, der um die heuristische Problematik der Einteilung in „Gewinner und Verlierer“ weiß.
Den historiographischen Zuschreibungen von Sieg und Niederlage, Gewinn und Verlust steht das Selbstverständnis von Akteuren gegenüber. Wie Niederlagen oder Verluste erfahren und kommuniziert werden, ist nur aus der Perspektive der betroffenen Gruppen und Individuen zu erschließen. Diskurse von Verlierern können ein notwendiges Korrektiv für eine Geschichtsschreibung sein, die mit ihrem Objektivitätsanspruch diese Perspektive nur schwer einzunehmen vermag.
Das Motto des Historikertags zielt unter anderem auf folgende Fragen, die sowohl das historische Geschehen als auch die geschichtswissenschaftlichen Deutungskategorien betreffen:
- Welche Vorannahmen sind wirksam, wenn historische Akteure in der Geschichtsschreibung zu „Gewinnern“ oder „Verlierern“ werden. Unter welchen Voraussetzungen finden Umdeutungen in der Rollenverteilung statt?
- Wie gehen historische Akteure mit Gewinn und Verlust, Sieg und Niederlage um? Wie reagieren sie auf Verlust, u.a. an symbolischem Kapital wie Ehre? Welche Erfahrungsgewinne können aus Verlust entstehen? Welche Einbußen, etwa an politischer Umsicht, können auf der Seite der Sieger bzw. Gewinner zu verbuchen sein?
- Welche Formen der sozialen Interaktion lassen „Gewinner“ und „Verlierer“ sichtbar werden, unter welchen Bedingungen wird dies in Hinblick auf künftige Kooperation gezielt vermieden?
- Wie sind „Gewinner“ oder „Verlierer“ im historischen Gedächtnis präsent? Welche Rolle spielt die Repräsentation von Sieg und Niederlage, Gewinn und Verlust in Geschichtsbüchern, Filmen, Museen, im Geschichtsunterricht für das Rollenverständnis und die öffentliche Wahrnehmung von „Gewinnern“ und „Verlierern“?
- Welche Rolle spielt die Vorstellung der engen Korrelation von Gewinn und Verlust als Nullsummenspiel in der Geschichtsschreibung beispielsweise in der Militär- und Diplomatiegeschichte, aber auch in Feldern wie der Geschichte von Mensch und Umwelt, der Wirtschaftsgeschichte oder der Geschlechtergeschichte?
- Welche historiographischen Konzepte und Narrative bilden eine Alternative zu der binären Einteilung in „Gewinner“ und „Verlierer“?
Wie auch auf den vergangenen Historikertagen werden nicht alle Sektionen auf das Motto bezogen sein. Vielmehr soll sich ein gewisser Anteil am Gesamtprogramm auf andere Fragen beziehen, um der Spannweite aktueller Forschungen hinreichend Raum zu geben.
Der Ausschuss bittet darum, Vorschläge zu Sektionen für den 50. Deutschen Historikertag bis zum 31. Oktober 2013 entweder über ein Webformular der Homepage des Historikerverbandes (http://www.historikerverband.de/historikertag/50-deutscher-historikertag-2014/einreichungen.html) hochzuladen oder per E-Mail (Format PDF) bzw. postalisch an die Geschäftsstelle (s.u.) in folgender Form einzureichen:
- Name(n) der/ des Antragsteller(s)/Antragstellerinnen
- Titel der Sektion
- Epochale Zuteilung (Alte Geschichte, Geschichte des Mittelalters, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte, Zeitgeschichte, Epochenübergreifend)
- Podiumsdiskussion (ja/nein)
- Abstract (max. 7.500 Zeichen inkl. Leerzeichen). Das Abstract sollte Angaben über die Fragestellung, die Inhalte und die Zielsetzungen sowie die Durchführungsformen der Sektion beinhalten.
- Liste der Referenten (möglichst endgültig) und Referatstitel
- Adresse, Telefon und E-Mail-Adresse der/ des Antragsteller(s)/Antragstellerinnen
Sektionsanträge können nur von Mitgliedern des VHD eingereicht werden. Sollten Sie kein Mitglied sein, besteht die Möglichkeit mit Einreichung des Sektionsvorschlages in den VHD einzutreten. Entsprechende Formulare finden sich auf der Website des VHD und sind bei der Geschäftsführung erhältlich. Ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können eine Sektion beantragen, sofern sie dabei mit mindestens einem Mitglied des VHD kooperieren.
Sektionen des Historikertages sollen zu kontroversen Diskussionen anregen. Es ist für die Antragstellung nicht ratsam, bestehende Zusammenhänge wie Forschungsverbünde in einem Sektionsantrag zu reproduzieren. Bitte achten Sie auf eine ausgewogene Vielfalt in der Zusammenstellung Ihrer Themen und Ihrer Referentinnen und Referenten.
Neben den traditionellen Sektionen mit einer Reihe von Vorträgen werden auf dem 50. Deutschen Historikertag auch andere Präsentationsformen ermöglicht. So können kürzere Sektionen (Länge ca. 2 Stunden) konzipiert werden.
Weitere Informationen zum Göttinger Historikertag werden in Kürze im Internet auf der Homepage des Historikertages (www.historikertag.de) sowie auf der Homepage des Verbandes (www.historikerverband.de) verfügbar sein.
Bei Fragen steht Ihnen unsere Geschäftsführerin jederzeit gerne zur Verfügung:
Dr. Nora Hilgert
Geschäftsführung
Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V.
Goethe-Universität Frankfurt
Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt
E-Mail: geschaeftsstelle@historikerverband.de
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The 50th German Historikertag will be held from September 23 – 26, 2014, at the Georg August University in Göttingen. As in previous years, the board and committee of the German Historical Association (VHD) have selected a theme to serve as a general orientation for all session applications. The theme is
Winners and Losers
Since antiquity, the idea of “winners and losers” has been a central component in the interpretation of historical events. Our image of winners and losers has been shaped by competitive scenarios such as athletic contests, democratic elections, and rule-governed conflicts that leave the victor and the vanquished face-to-face. Historical processes, such as the creation or collapse of statehood, the opening up of trade routes, colonial expansion, and the concentration of spaces of communication, also have winners and losers. They need not directly interact against one another but emerge as opponents only in the wake of historical research and as a result of historical judgment.
All talk about winners and losers is always dependent on perspective. Assumptions about what “game” is actually being played and the expectations regarding future developments help determine who is considered a winner and a loser. Teleological concepts of history, such as Marxism-Leninism or what the British historian Herbert Butterfield criticized already in 1931 as the “Whig Interpretation of History,” have arranged history in consecutive stages marked by the struggle to achieve history’s ultimate goal. However, all narratives of “victorious” concepts must be scrutinized for the blind spots of such perspectives, be it in the history of political ideas or the history of science. In order to detect unrealized possibilities, byways, or supposed dead-ends in history, we need a methodical approach that takes into account the heuristic problems inherent in the dichotomy of “winner and loser.”
The historical attribution of victory and defeat, of winning and losing, is pitted against the self-image of the actors. It is only through the perspectives of the affected groups and individuals that we can access and understand the ways in which defeat or loss is experienced and communicated. Discourses of the losers can be a necessary corrective for a historiography that may find it hard to incorporate this perspective, despite its claim to objectivity.
The theme of the meeting focuses on the following questions, among others, concerning both historical events and categories of historical interpretation:
- Which presuppositions are at work when historiography labels historical actors as “winners” and “losers”? Under what circumstances are reinterpretations of these roles possible?
- How do historical actors deal with winning and losing, victory and defeat? How do they react to the loss of, among other things, symbolic capital like honor? What good can come from the experience of loss? What can the victor or winner lose with respect, say, to political circumspection?
- What forms of social interaction can be observed between “winners “ and “losers”? Under what conditions is interaction deliberately avoided with regard to future cooperation?
- How are “winners” and “losers” present in our collective memory? How do the depictions of victory and defeat, winning and losing that are found in history books, films, museums, and history lessons influence the roles attributed to and public perception of “winners” and “losers”?
- What role does the idea of a close correlation between winning and losing play in the zero-sum game in historiography? How is this aspect handled in, for example, military and diplomatic history, environmental history, economic history, or gender history?
- What historiographical concepts and narratives offer an alternative to the binary classification of “winners” and “losers”?
As has been the case at previous meetings, not all sessions will pertain to this theme. A certain part of the overall program will focus instead on other topics in order to adequately facilitate the presentation of the full range of current research.
The committee asks that all proposals for sessions at the 50th German Historikertag be sent in by October 31, 2013. Submissions can be made either online at (www.historikerverband.de/historikertag/50-deutscher-historikertag-2014/einreichungen.html), by e-mail (PDF format), or by mail to our executive office (address listed below). The application should include:
- Name(s) of the applicant(s)
- Title of the session
- Time period (ancient history, medieval history, early modern history, modern and recent history, contemporary history, epoch-spanning)
- Panel discussion (yes/no)
- Abstract (max. 7,500 characters with spaces). The abstract should indicate the central issue, content, and aims of the session, as well as its mode of presentation.
- List of contributors (as final as possible) and titles of papers
- Address, telephone number, and e-mail address of the applicant(s)
Only members of the German Historical Association may submit session applications. If you are not a member, it is possible to join the VHD at the same time you submit your proposal. The necessary forms can be found at the VHD website or can be obtained from the executive office. Foreign scholars may also submit a proposal in cooperation with at least one VHD member.
Sessions at the German Historikertag are meant to spark controversial discussions. Thus, applicants are discouraged from replicating certain existing professional relationships, such as research groups, in the proposed session. Please make sure the session includes a well-balanced variety of subjects and presenters.
Aside from the traditional session format in which a number of papers are presented, alternative modes of presentation are also possible at this meeting, including shorter sessions (about 2 hours in length).
Additional information about the meeting in Göttingen will be available shortly at the homepage of both the Historikertag (www.historikertag.de) and the German Historical Association (www.historikerverband.de).
If you have any further questions about the meeting or the session application process, do not hesitate to contact us.
Dr. Nora Hilgert
Executive Manager
Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. / German Historical Association
Goethe-Universität Frankfurt
Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt
Germany
E-Mail: geschaeftsstelle@historikerverband.de