Früh viele Sprengungen im Osten. Infanteristen sagen, dass sie gestern im Walde bei Czenstochau mit einer russischen Kavalleriedivision gefochten und sie „vernichtet“ haben. Ununterbrochen fahren Züge auf der Bahnstrecke vor meinen Fenstern vorbei nach Deutschland. Auf der Landstrasse marschieren Pioniere in derselben Richtung; auch Bagagen und allerlei bepackte Wagen. Die Bevölkerung steht und sieht diesem Durchzuge zu, während in der Ferne immer wieder dumpfe Explosionen ertönen. – Abends in Czenstochau mit Bernhard Stolberg u Schweinitz im Angielski gegessen. Stolberg sagt, dass die Russen uns bis jetzt nicht angegriffen haben, und Woyrsch daher ganz beruhigt ist, dass er seinen Auftrag ausführen, d. h. bis Montag Mittag sich hier halten kann. Bis dahin werden die mit der Bahn abtransportierten Corps in ihren neuen Stellungen an der Grenze von Thorn südwärts ausgeladen sein und kommen von dort aus der russischen Armee (15 Corps) in die Flanke oder in den Rücken; bestenfalls giebt es dann ein neues Tannenberg, schlimmstenfalls ziehen sich die Russen rechtzeitig zurück, und wir rücken langsam wieder vor. Die Russen sollen nur sehr wenig Munition haben. Das Generalcommando hat heute einen Funkspruch aufgefangen, in dem sie das selber melden. Pro Mann sollen sie nur 20 Patronen haben, und Nichts nachbekommen können (wegen der Bahnzerstörungen). Die Stimmung im Generalkommando ist sehr zuversichtlich. Ob wir Montag dann doch nach Schlesien zurück oder wieder vorwärts gehen, scheint noch nicht festzustehen.
7 Nov. 1914. Sonnabend. Gnaszyn
Tagebucheintrag Harry Graf Kessler
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