Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg. Anders als in den meisten anderen europäischen Ländern bedeutete dies für Deutschland allerdings keine vollständige Rückkehr zum zivilen Leben. Die Erfahrung des Krieges, politische Verwerfungen und der von einem Großteil der Bevölkerung gehegte Wunsch nach einer Revision der „Schmach von Versailles“ prägten die Weimarer Gesellschaft. Zudem hatte der Krieg viele teils seelisch oder körperlich versehrte Kriegsheimkehrer produziert, die Zuflucht in zahlreichen Veteranenverbänden fanden. Diese dienten nicht nur als Sammelbecken, sondern machten es sich zunehmend zur Aufgabe, Politik und Gesellschaft der jungen Republik nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen. Mit dem größten dieser Verbände, dem 1900 gegründeten Kyffhäuserbund, befasst sich der Historiker Benjamin Schulte von der Universität zu Köln in seinem Promotionsprojekt. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
„Verbände auch nach 1918 in der Öffentlichkeit der Republik präsent“
L.I.S.A.: Herr Schulte, Sie befassen sich in ihrem Promotionsprojekt mit den Kriegserfahrungen der Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg und ihrer Rolle in der Weimarer Republik. Wie kamen Sie zum Thema Kriegsveteranen?
Schulte: Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich mich bereits thematisch mit der Ruhrkrise von 1923 beschäftigt, einem Konflikt, der viele Narrative, Mentalitäten, Wahrnehmungen und Sichtweisen des Ersten Weltkrieges wieder aufleben ließ. Ich habe diese Thematik unter dem Aspekt der kulturellen Demobilisierung diskutiert und bin der Frage nachgegangen, inwiefern kulturelle Aspekte des Ersten Weltkriegs auf der sprachlichen und bildlichen Ebene das Kriegsende überdauerten und die Mentalität der Weimarer Nachkriegsgesellschaft nach wie vor prägten. In diesem Kontext bin ich auf Zusammenschlüsse ehemaliger Weltkriegssoldaten – zuerst die Freikorps und Zeitfreiwilligenverbände – gestoßen, die auch nach 1918 in der Öffentlichkeit der Republik präsent waren. Erstaunlich war für mich hier der Befund, dass der größten Organisationsform ehemaliger Weltkriegssoldaten in der Weimarer Republik, dem Kyffhäuserbund, bis dato kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden war.