Der französische Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand hat einst über Macht gesagt: "Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht." Auch aus diesem Grund ist Macht heute im öffentlichen Diskurs vor allem negativ besetzt. Berichte über Machtmissbrauch, Machthunger, das Kleben an der Macht, über Macht, die korrumpiert, sorgen für Empörung. Macht müsse beschränkt werden, auf mehrere verteilt sein und transparent bleiben, so Kritiker der Macht. Wäre demnach sogar eine Welt ohne Macht besser? Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch ist einem neuen Essay diesen und anschließenden Fragen nachgegangen. Wir haben ihn um ein Interview gebeten.
"Es geht überall darum, Interessen 'machtvoll' durchzusetzen"
L.I.S.A.: Herr Professor Mayer-Tasch, Sie haben einen Band mit dem Titel „Kleine Philosophie der Macht“ veröffentlicht. Macht ist ein altes, wenn nicht sogar uraltes Sujet, über das sich viele Denker und Denkerinnen bereits allerlei Gedanken gemacht haben. Was hat Sie bewogen, sich dieses Klassikerthemas der Philosophie neu anzunehmen?
Prof. Mayer-Tasch: Die Eule der Minerva beginnt bekanntlich Ihren Flug in der Dämmerung. Gegen Ende einer akademischen Laufbahn, während der ich als Student und Assistent bis zu einem gewissen Grade ein Machtunterworfener und als Professor, Senator, Institutsdirektor und Rektor ein relativ Mächtiger war, schaut man gerne auf das eigene Leben zurück. Als Politikwissenschaftler war und ist es aber ohnedies von Berufs wegen meine Aufgabe, politische, soziale und ökonomische Machtprozesse zu beobachten und zu analysieren. Außerdem lehrt schon der tägliche Blick in die Zeitung oder auf den Fernsehschirm, dass es allüberall darum geht, Interessen mit mehr oder weniger intensivem Aufwand „machtvoll“ durchzusetzen.