"Die Zukunft gehört dem Dandy", so sagte einst der irische Bühnenautor Oscar Wilde. Doch ist der Dandy, wie wir ihn heute in unserer Gesellschaft kennen, tatsächlich mit der schillernden Erscheinung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu vergleichen? Anders als die bisherigen Studien, die sich dem Thema aus literaturwissenschaftlicher Perspektive näherten, untersuchte Günter Erbe die soziologischen und kulturhistorischen Aspekte. Im Interview geht er auf den Ursprung und die historische Entwicklung des Dandy ein. Warum büßte der Dandy an Gesellschaftsrelevanz ein und welche Bedeutung ist den Medien in diesem Prozess zuzuschreiben?
"Eleganz, Machtwillen und geistige Unabhängigkeit"
L.I.S.A.: Herr Erbe, Sie beschäftigen sich mit dem modernen Dandy und der Entwicklung des Dandys seit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wie kommen Sie zu diesem Thema?
Erbe: Das Interesse am Dandy geht auf frühe Lektüreeindrücke zurück. In bedeutenden Werken der Weltliteratur von Balzac bis Proust, von Puschkin bis Dostojewski und von Byron bis Wilde taucht der Dandy als eine mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattete Figur auf, die sich durch Eleganz, Machtwillen und geistige Unabhängigkeit auszeichnet. Als ich mich Anfang der 90er Jahre erstmals wissenschaftlich mit dem Dandy beschäftigte, stellte ich fest, dass ich mit der Wahl dieses Themas in der deutschen Soziologie eine Leerstelle ausfüllte. Man interessierte sich für die Arbeiterklasse, das Bürgertum, die Intellektuellen und soziale Randgruppen, aber nicht für die Randgänger des Adels oder die Protagonisten der mondänen Künstlerboheme. Das Interesse am high life der Oberschichten ist in der deutschen Soziologie im Unterschied zu Frankreich, England und den USA bis heute wenig entwickelt. Es kam mir darauf an, ein neues Terrain zu entdecken und wissenschaftlich zu erforschen.