Die Gleichschaltungsmaßnahmen der Nationalsozialisten, die mit der Machtergreifung einhergingen, sind heute umfangreich erforscht. Auch den großen Sportvereinen, in München der Turn- und Sportverein München von 1860 und der FC Bayern, wurde dabei Beachtung geschenkt. Anton Löffelmeier stellt daher Fragen nach den kleineren Vereinen. Ähnelten die Entwicklungen denen größerer Vereine? Im Interview gibt er außerdem Antworten auf Fragen nach Neugründungen nationalsozialistischer Vereine und dem Umgang mit der NS-Vergangenheit.
"Das Ziel war die Zerschlagung"
L.I.S.A.: Herr Löffelmeier, Sie widmen sich in Ihrem Aufsatz einem Vergleich der „großen“ Münchener Vereine, wie dem FC Bayern und dem Turn- und Sportverein München, mit „kleineren“ Vereinen. Lassen sich Unterschiede in den Entwicklungen festmachen oder ähneln sich die Abläufe?
Löffelmeier: Die politischen, gesetzgeberischen und ordnungspolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten waren zunächst davon bestimmt, die weltanschaulich ausgerichteten Sportvereine der Gegner auszuschalten, d.h. diejenigen, welche dem kommunistischen, sozialistischen und sozialdemokratischen Spektrum zuzurechnen waren, daraufhin diejenigen des konfessionellen Spektrums. Hier war eindeutig das Ziel die Zerschlagung, was in den Monaten März bis April 1933 dann auch zielgerichtet und rigoros erfolgte, unabhängig ob es kleine oder große Vereine waren. So wurde in München auch der große Verband der "Freien Turnerschaft", die mit 1881 Mitgliedern (Stand 1.01.1933) die größte Münchner Arbeitersportvereinigung bildete, mit zahlreichen über die Stadt verteilten Abteilungen zerschlagen. Das Vereinsheim und das Vermögen des Vereins wurden eingezogen. Aber auch die kleinen Vereine, wie der FC Sportfreunde blieben nicht verschont. Am 22. März 1933 wurde die Auflösung des Vereins verfügt, das gesamte Vereinsvermögen, alle Sportgeräte und die Vereinsanlage wurden beschlagnahmt. Sehr bald setzten kommunale Stellen die Weisungen der neuen Machthaber in der Praxis um. So teilte am 23. März 1933 das Stadtamt für Leibesübungen den Arbeitersportvereinen mit, dass sie ab sofort aufgrund von Verfügungen des kommissarischen bayerischen Innenministers Adolf Wagner vom 14. und 18. März von sämtlichen städtischen und staatlichen Übungsplätzen ausgeschlossen wären. Bis 5. April hatte das Stadtamt die Anweisung umgesetzt.
Nach dieser ersten Phase der Ausschaltung der Arbeitersportvereine war die Gleichschaltung und Disziplinierung der bürgerlichen Vereine das nächste Ziel, das mit dem geforderten Ausschluss der jüdischen und kommunistischen Vereinsmitglieder begann, beim DFB willfährige Helfer fand (Aufruf des DFB vom 8. April 1933) und im Herbst 1933 mit der Einsetzung des Führerprinzips einen ersten Abschluss erreichte. Diese Weisungen waren im Prinzip von allen Vereinen umzusetzen, in der Praxis zeigten sich bei den Vereinen aber doch unterschiedliche Geschwindigkeiten in der internen Umsetzung, was durchaus auch von den bisherigen Strukturen im Verein abhing bzw. auch von den gefühlten Notwendigkeiten, den neuen Machthabern zu gefallen, um die finanziellen und wirtschaftlichen Probleme des eigenen Vereins nicht zum kollabieren zu bringen. Beim FC Bayern konnte sich zum Beispiel eine gewisse Widerspenstigkeit gegenüber den neuen Machthabern halten, indem kein regimetreuer Vorstand dem jüdischen Präsidenten nachfolgte oder auch die jüdischen Mitglieder weiterhin im Verein geduldet wurden. Beim anderen Münchner Großverein, dem TSV München von 1860, der bereits vor 1933 über eine starke nationalsozialistische Gruppe im Verein verfügte, war sofort eine linientreue Vorstandschaft installiert. Die jüdischen Mitglieder, die es durchaus gab im Verein, wenn auch in geringer Zahl, dürften spätesten 1933 den Verein verlassen haben.
Wie es bei kleinen bürgerlichen Vereinen verlief, ist bisher noch wenig erforscht, da hier die Quellen aus der Vereinsüberlieferung meistens fehlen. Aber manche Vereine haben Arbeitersportler oder ganze Abteilungen ehemaliger Arbeitersportvereine dann doch bei sich aufgenommen. So wurde ein Großteil der Fußballspieler des FC Sportfreunde vom DFB-Verein FC Alemannia, der im selben Stadtviertel, in Harlaching, beheimatet war, aufgenommen. Ein Teil der Mitglieder des VfL München fand Aufnahme beim Postsportverein München, nachdem offenbar andere Vereine eine Aufnahme der Arbeitersportler abgelehnt hatten.