Geschichte und Theorie – eine Beziehung, die nicht immer ganz einfach ist. Während die einen den vielfach zu beobachtenden Mangel jeglicher theoretischer Reflexion beklagen und solches Vorgehen als positivistische oder gar ‚antiquarische‘ Geschichtsschreibung schmähen, werden die anderen von hochgestochenem Theoriejargon abgeschreckt, hinter dem sich bei genauerer Betrachtung oftmals wenig Substanz verbirgt. Ist Geschichte genuin theoriebedürftig, um den Status einer Wissenschaft beanspruchen zu können? Und falls ja, wie lassen sich theoriebezogene Überlegungen in die konkrete Arbeit des historischen Forschens gewinnbringend integrieren? Welche Theorien bieten sich da überhaupt an? An der Universität Bielefeld wurde vor kurzem das „Zentrum für Theorien in der historischen Forschung“ ins Leben gerufen, um sich über solche und ähnliche Fragen zu verständigen. Wir haben uns mit dem Sprecher des Zentrums, Juniorprofessor Lars Deile, darüber unterhalten.
„Die theoretische Fundierung historischen Forschens bedenken“
L.I.S.A.: Lieber Herr Deile, was bewog Sie zur Gründung eines eigenen Theoriezentrums?
Jun.-Prof. Deile: Der Anstoß kam zunächst von außen. Wie wahrscheinlich die meisten wissenschaftlichen Einrichtungen wurde auch die Bielefelder Abteilung für Geschichtswissenschaft mit der Frage konfrontiert, was ihr besonderes Profil ausmache. Wir haben darüber gemeinsam nachgedacht. Das Spektrum in Forschung und Lehre ist auch in Bielefeld groß und heterogen, reicht von Begriffsgeschichte über Wirtschaftsgeschichte, historische Bildwissenschaft, die Untersuchung globaler Verflechtungen, der sozialen Gefüge mittelalterlicher Städte bis zur Geschichte des Tötens, der Langeweile, … Die Kolleginnen und Kollegen, deren Steckenpferde ich jetzt nicht genannt habe, werden mich schneiden. Nein, im Ernst: Bei all dieser wunderbaren Vielfalt merkten wir in Gesprächen, dass uns eine besondere Sensibilität und Ambitioniertheit für die theoretische Reflexion unserer Arbeit eint. Um diese Reflexion untereinander besser zu diskutieren und uns gleichzeitig mit Kollegen von außerhalb zu vernetzen, um die theoretische Fundierung historischen Forschens zu bedenken, dafür haben wir dann mit dem Zentrum einen institutionellen Rahmen geschaffen und das Rektorat hat uns dabei sehr unterstützt.
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